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Stadt-Gespräche - Folge 28

In den Stadt-Gesprächen vom Bochumer Start-up ShiftDigital sprechen wir mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Björn Schoppohl darüber, wie man am Arbeitsplatz mit psychischer Belastung umgehen kann.

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Nina da Costa: Zum Thema Gesundheit gehört ja nicht nur die körperliche, sondern auch die mentale Gesundheit. Du bist natürlich kein Psychologe, aber du beschäftigst dich damit. Wie schätzt du die generelle Akzeptanz vom Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz ein?

Björn Schoppohl: Spannend, dass du mir die Frage stellst: es gibt tatsächlich Auswertungen dazu, die wir als Stadt machen. Es werden verschiedene Belastungen am Arbeitsplatz abgefragt und beschrieben, nicht nur körperliche, sondern auch psychische. Im Detail bin ich nicht informiert, aber es wird geguckt, wie man Dinge verbessern kann. Die Befragten haben zum Beispiel gesagt, dass sie die ständige Erreichbarkeit per Telefon stresst. Man möchte mal das Telefon ausmachen können, um in Ruhe zu arbeiten, oder die Tür abschließen und ein Schild dranhängen: “Bitte nicht stören”.

“Man kann einfach mal sagen: ‘Ich arbeite hier gerade, bitte geht und macht die Tür zu.’“

Nina: Eigentlich leicht machbar.

Björn: Ich glaube auch, dass man solche Mechanismen gut in den Alltag einbauen könnte. Eigentlich bei allen Unterbrechungen, die man so hat: E-Mail, Telefon, Leute, die an die Tür klopfen oder reingeschneit kommen. Also alles, was dich aus der Konzentration rausbringt, sodass du dich immer wieder von vorne in dein Thema reindenken musst. Es gibt verschiedene Bausteine, wie etwa das Schild an der Tür. Das können wir alles nutzen, aber wir tun es zu wenig. Aber man kann solche Sachen machen und einfach mal sagen: „Ich arbeite hier gerade, bitte geht und macht die Tür zu.“

„Man fühlt sich wie ein Esel, dem die Möhre vorgehalten wird.“

Nina: Wenn du zu irgendeinem Kollegen hingehen und sagen würdest “Ich bin vollkommen überlastet und weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht“ — glaubst du, man würde dir mit Verständnis begegnen?

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Björn: Absolut. Inzwischen ist das Thema bei den Menschen angekommen und auch das Verständnis, dass wir damit ein großes Problem haben. Es ist außerdem eindeutig bewiesen: Menschen empfinden das unterschiedlich. Für den einen kann es Stress sein, wenn das Telefon einmal am Tag klingelt, während es für andere erst ab hundert mal Stress wird. Und an diesen Untersuchungen sieht man auch, dass das Thema langsam akzeptiert ist. Vielleicht noch nicht hundertprozentig, aber wir sind schon sehr weit, besonders in Bochum. Die Lösung ist, ganz viele Ausgleichsmöglichkeiten zu schaffen. Außerdem gehört auch Wertschätzung dazu: Wenn ich meine Mitarbeiter und Kollegen nicht wertschätze, wird das viel schneller passieren. Wenn ich immer noch eine Schippe drauf lege und es kein Lob gibt, wenn eine Aufgabe fertig ist, fühlt man sich irgendwann wie ein Esel, dem die Möhre vorgehalten wird.

“Die Arbeit ist so stark verdichtet, dass die Leute nur noch als funktionierender Mechanismus arbeiten.”

Nina: Was glaubst du, woran es liegt, dass die eigene psychische Gesundheit am Arbeitsplatz so lange ein absolutes Tabuthema war?

Björn: Darüber habe ich unglaublich lange nachgedacht. Ich glaube, in den letzten Jahrhunderten war der Arbeitsdruck nie so hoch, wie er es jetzt ist. Es gibt Untersuchungen dazu, dass Industrien aus Deutschland abwandern, weil es woanders billiger ist. Wenn man sich aber anguckt, was dabei rauskommt, zum Beispiel ein Auto oder irgendein Bauteil, dann sind wir so hocheffizient, dass kein Land, das Hungerlöhne bezahlt, da mithalten kann. Das ist immer nur ein vorgeschobener Grund — ich habe nie verstanden, warum das in der Industrie so gemacht wird. In der Produktion sind wir nämlich gigantisch gut. Wir haben das aber so weit verdichtet, dass wir Leute krank machen.

Nina: Du meinst, weil die Effizienz immer weiter gesteigert wird?

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Björn: Genau. Es gibt ein anschauliches Beispiel dazu: Früher war der Postbote am Ende seines Arbeitstages besoffen, weil er mit jedem seiner Kunden Schnaps trinken musste. Heute wird der Paketdienst richtig geprügelt, im übertragenen Sinne: Die Arbeit ist so verdichtet, dass die Leute nur noch als funktionierender Mechanismus arbeiten. Das bricht uns das Genick.

„Wir vergessen in unserer heutigen Kultur, dass man noch andere Dinge machen muss als nur zu arbeiten.“

Nina: Die Zeit auf der Arbeit ist nur noch für das Erledigen der Aufgaben da.

Björn: Genau, früher war es normal, auf der Arbeit zusammen zu feiern. Das gibt es heute fast nirgends mehr. Aber netzwerken und miteinander ein Bierchen trinken hat viel mehr Effekte, als den Mitarbeitern zu sagen: „Ihr müsst malochen”. Dann kennt man sich nämlich auf einmal, versteht sich und kann sagen: „Ich brauche deine Hilfe“, anstatt per Mail zu schreiben: “Sehr geehrter Kollege Herr So-und-so, vielleicht haben Sie in Ihrem Stress ja Zeit…” So haben wir noch nie funktioniert. Ich glaube, wir vergessen in unserer heutigen Kultur, dass man noch andere Dinge machen muss als nur zu arbeiten. Ein tolles Beispiel ist ein Unternehmen, das die Arbeitszeit auf fünf Stunden reduziert hat. Sie führen dann keine privaten Gespräche mehr, aber dafür wird einmal in der Woche zusammen gekocht.

Nina: Dazu fällt mir das “Random Lunch” ein, das wäre bestimmt auch was für Kommunen: Jeder, der will, kann sich in eine App eintragen, die zufällig auswürfelt, mit wem man zum Mittagessen geht. So können sich Menschen aus verschiedenen Ämtern kennenlernen. Das machen nur die Leute, die wollen - keiner muss. Der Arbeitgeber kann auch nicht einsehen, wer mit wem essen geht, das ist alles anonym.

Björn: Das klingt nach einer guten Idee.

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