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Stadt-Gespräche - Folge 33

In den Stadt-Gesprächen vom Bochumer Start-up ShiftDigital sprechen wir mit Mitarbeiter*innen aus der Verwaltung über Digitalisierung, E-Government und New Work. In dieser Folge sprechen wir mit Björn Schoppohl über die Gefahren mentaler Überbelastung und wie man ihr vorbeugen kann.

Nina da Costa: Warum ist das Thema psychische Gesundheit gerade im Kontext der Digitalisierung wichtig?

Björn: Ich glaube, dass es die große Herausforderung ist, abzuschalten, uns auch mit anderen Dingen zu beschäftigen, eine geistige Hygiene zu betreiben. Nicht dauernd unter Last zu laufen, sondern auch einfach mal in den Himmel zu gucken und den Kopf leer zu kriegen. Die Digitalisierung und die Beschleunigung — das muss einen Ausgleich erfahren, weil wir so nicht funktionieren. Zum Beispiel ein Postbote: er durfte früher ein paar Pläuschchen mit den Kunden halten. Das macht er heute nicht mehr, sondern er rennt nur noch seine Route ab. Man muss da eine Balance schaffen. Das ist eine Aufgabe, die jeder für sich lösen muss. Ich glaube aber, dass sich viele Menschen relativ leicht vor den Karren spannen lassen.

“Man sollte sich beobachten und wenn man Anzeichen hat, muss man etwas verändern.”

Nina: Wenn ich merke, dass ich überlastet bin, nicht abschalten kann und mir alles zu viel wird — ist es okay, damit zu meiner Führungskraft zu gehen?

Björn: Auf jeden Fall und absolut wichtig. Und auch, zum Arzt zu gehen und sich rausnehmen zu lassen, wenn man kein Gehör finden sollte. Ohne Rücksicht auf Verluste. Ich habe viel größere Einschränkungen, wenn ich das nicht mache, als wenn ich vielleicht das Gefühl habe, dass es nicht akzeptiert wird. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass es nicht akzeptiert wird, aber viele Leute glauben, dass man dann gesagt bekommt: “Stell dich nicht so an”. Es gibt auch Listen mit Anzeichen dazu, wann man vor dem Burnout steht, zum Beispiel wenn es einem schwerfällt aufzustehen, man lustlos ist und an nichts mehr Spaß hat. Da sollte man sich beobachten und wenn man Anzeichen hat, muss man etwas verändern. Sonst fällt man unweigerlich in ein Loch.

Das ist wirklich gefährlich. Deshalb muss man offen damit umgehen und sagen: “es geht nicht mehr” und “bis hierhin und nicht weiter”.

Nina: Und man fällt meistens für Monate aus — und das kann der Arbeitgeber ja auch nicht wollen.

Björn: Genau. Im schlimmsten Fall werden Depressionen daraus, die man nicht nur ein halbes Jahr mit sich herumschleppt, sondern immer wieder. Das ist wirklich gefährlich. Deshalb muss man — egal, wie die Akzeptanz ist — offen damit umgehen und sagen: “es geht nicht mehr” und “bis hierhin und nicht weiter”. Das muss man dann leider aushalten. Klar, das sagt sich leicht, wenn man selbst nicht in der Situation ist, das ist mir schon sehr bewusst. Und es gibt Berufe, bei denen es unendlich schwierig ist, sowas zu thematisieren: Bei der Polizei oder der Feuerwehr…

Nina: Lehrer, Politiker.

Björn: Ja, aber bei Lehrern ist es relativ anerkannt, weil das Krankheitsbild Burnout bei ihnen typisch ist. Sie haben die höchste Rate an Burnout und Depression. Was ich gerne in dem Zusammenhang noch sagen würde — ich habe mich ein bisschen damit beschäftigt: Sollte es tatsächlich mal zu einer Krise kommen, wäre es sehr schlau, zum Therapeuten zu gehen. Nicht medikamentös rangehen, wenn es irgendwie geht. In akuten Krisen natürlich schon — und ich bin auch nur jemand, der sich damit lesend beschäftigt hat. Aber bevor ich Medikamente wie Stimmungsaufheller nehme, sollte ich alles andere versuchen.

Man sollte sich bewusst machen, dass man etwas für sich macht, das einem gut tut.

Nina: Wie können Übungen wie Meditation und Yoga dabei helfen, Prävention zu betreiben, sodass man erst gar nicht an diesen kritischen Punkt kommt?

Björn: Das sind genau die Dinge, die das erfolgreich bekämpfen. Bei Meditation macht man ja nichts anderes, als seinen Kopf zu leeren, auf seinen Körper und seine Atmung zu hören. Spannend ist: die Forschung zeigt, dass Schulklassen, die jeden Morgen meditieren, bessere Ergebnisse erzielen. Das ist verrückt, und gleichzeitig so einfach. Man könnte das in ganz vielen Bereichen nutzen. Es ist zwar nicht für jeden geeignet, aber ich glaube, jeder kann sich bemühen. Beim Yoga schätzt man sich auch selbst wert, weil man sich die Zeit nimmt, etwas für sich zu tun. Man sollte sich bewusst machen, dass man etwas für sich macht, das einem gut tut. Eine tolle Möglichkeit, positiv gestimmt da rauszugehen. Und man wird definitiv sehen, dass es hilft.

Wir sollten gegenseitige Wertschätzung auf allen Ebenen — nicht nur von oben — viel stärker in die Köpfe kriegen.

Nina: Zum Abschluss unseres Gesprächs: Was ist dein Appell in Sachen Gesundheit und Achtsamkeit am Arbeitsplatz?

Björn: Wir brauchen viel mehr Rücksicht auf den Menschen und viel mehr Wertschätzung in allen Bereichen. Auch, um die großen Herausforderungen und Veränderungen mitgestalten und erleben zu können. Und um sich selbst treu zu bleiben. Ich kann nur schwer daran appellieren, immer mehr im Gesundheitsbereich zu tun. Und wir sollten gegenseitige Wertschätzung auf allen Ebenen — nicht nur von oben — viel stärker in die Köpfe kriegen. Ich glaube, ob wir das alles meistern oder noch mehr Leute abhängen, wird ganz viel damit zu tun haben. Es wäre toll, wenn das viele so sehen und sich für soetwas Zeit nehmen würden. Und generell lohnt es sich immer, sich über die Dinge zu freuen, die man erreicht, und das auch mit anderen zu teilen.

Nina (lacht): Und jetzt nochmal in einem Satz!

Björn (lacht): Schätzt euch selbst und eure Kollegen jederzeit sehr stark wert.

Nina: Vielen Dank für das Gespräch! Es hat mir großen Spaß gemacht und es ist schön zu sehen, dass jemand das Thema in Bochum so vorantreibt.

Björn: Sehr gern! Ich hoffe so sehr, dass es noch weiter vorangeht.

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